Neues Eigenheim: Warum (modernisierte) Bestandsbauten die oftmals nachhaltigere Wahl sind

Hausbau Helden Neues Eigenheim: Warum (modernisierte) Bestandsbauten die oftmals nachhaltigere Wahl sind
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Wer ein eigenes Haus haben möchte, für den steht oft automatisch fest: das wird neu gebaut. Betrachtet man das gesamte Thema jedoch aus einem Blickwinkel von Umweltschutz, Klimaschutz und sogar Kommunalentwicklung, dann kann es vielfach die bessere Wahl sein, sich stattdessen ein Bestandsgebäude zu kaufen und die Bauarbeiter nur anrücken zu lassen, um es in baulicher und energetischer Hinsicht auf ein modernes Niveau zu bringen. Tatsächlich gilt das sogar jenseits dieser drei Punkte. Die Gründe dafür zeigen wir jetzt.

Nur Bestandsbauten versiegeln keine neuen Flächen

Wir befinden uns mittlerweile in Deutschland an einem Punkt, an dem die Versiegelung von Flächen bedenkliche Formen angenommen hat. Fast die Hälfte aller Siedlungs- und Verkehrsflächen in Deutschland sind wasser- und luftdicht abgedeckt. Nicht nur gehen dadurch wichtige Boden- und Naturflächen verloren, sondern die Niederschlags- und Entwässerungssysteme werden noch stärker belastet.

Das Problem daran: Wohl sind Bauvorhaben sehr umfassend naturschutzrechtlich geregelt, etwa durch verschiedene Gesetze. Unter anderem müssen deshalb alternative Versiegelungsflächen benannt bzw. bereitgestellt werden. Allerdings sind das niemals dieselben Flächen an demselben Ort. Es handelt sich deshalb nur um eine quantitativ gleichwertige Entsiegelung, jedoch keine qualitativ gleichwertige.

Das gilt besonders, weil die meisten neuen Einfamilienhäuser heutzutage in Neubaugebieten errichtet werden. Sie befinden sich meist in Ortsrandlage, wo zuvor vielfach Flächen der niedrigsten Versiegelungsgrade bestanden – etwa

  • Felder,
  • Obstbaumplantagen,
  • Gehöfte oder sogar
  • naturbelassene Freiflächen.

Bei Bestandsbauten hingegen besteht auch hier eine Situation, die nahezu universell für diese Gebäudeform gilt: Indem sie seit schon längerer Zeit stehen, ist weniger bis nichts Neues notwendig, das sich nachteilig für die Umwelt oder das Klima auswirkt.

Natürlich versiegelt ein Bestandsgebäude ebenso den Boden. Indem Neubesitzer jedoch dort einziehen, statt ein brandneues Haus zu errichten, entsteht weniger Versiegelung, weil das Baugrundstück – theoretisch zumindest – unbebaut und ungestört bleibt. Gleichsam erhält die versiegelte Bestandsfläche wenigstens einen Sinn, wo sie in vielen Kommunen Deutschlands (vor allem in Ortskernlage) alternativ ohne jeden Nutzen leer stehen würde.

Diese Effekte werden umso stärker, je mehr Interessenten auf einen Bestandsbau setzen. Im allerbesten Fall kann dadurch ein Neubaugebiet insgesamt deutlich kleiner ausfallen, mitunter sogar gänzlich entfallen. Dennoch findet eine gleichwertige Menge Menschen ein neues Heim in dieser Kommune und stärkt sie dadurch.

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Die wichtigsten Emissionsquellen entfallen beim Bestandsbau

Bei einem Gebäude hat jeder einzelne Bestandteil zwischen dem Zement für den Beton der Bodenplatte bis zu den Firststeinen am höchsten Punkt des Daches einen Fußabdruck. Genauer: Graue Emissionen und ebensolche Energien.

  • Graue Emissionen sind diejenigen Emissionen, die bis zum Einsatz am Gebäude durch Abbau bzw. Gewinnung der Rohstoffe, deren Weiterverarbeitung, den Transport usw. entstanden.
  • Graue Energien sind analog dazu die Energien, die für diesen Gesamtprozess nötig waren – bis zum Anliefern auf der Baustelle per LKW.

Beide Punkte sind komplex miteinander verwoben. So kommen etwa bei den Grauen Emissionen die Energien hinzu, die beispielsweise für den Abbau eines Rohmaterials im Tagebau nötig waren.

Einmal mehr kann hierbei der Bestandsbau einen Vorteil ins Feld führen: Selbst, wenn ein solches Haus eine wirklich umfassende Kernsanierung erfährt, dann ist sein „Graues Standing“ deutlich besser als dasjenige eines Neubaus. Schlicht, weil selbst tiefgreifende Modernisierungen zumindest den Rohbau weitestgehend unangetastet lassen – der ist je nach Material, Gebäudeart und -größe für ein Drittel bis die Hälfte der bis zur Fertigstellung anfallenden Gesamtemissionen und -energien verantwortlich.

Zumal nicht jeder Bestandsbau so tiefe Eingriffe benötigt oder sich so manches wiederverwenden lässt. Denken wir etwa an Dachsteine. Das bedeutet, für dieselbe Aufgabe – Menschen die eigenen vier Wände zu geben – verursacht ein Bestandsgebäude sogar bei tiefgreifender Modernisierung weniger umwelt- und klimaschädliche Emissionen und benötigt ebenso weniger Energien. Von den schlichtweg nicht erforderlichen Baumaterialien ganz zu schweigen.

Je besser das energetische Standing des alten Hauses nach der Umgestaltung, desto umfassender wirkt sich das auf lange Sicht aus – weil es die Einsparungen nicht durch deutlich höhere Verbräuche und Emissionen der Benutzung „auffrisst“.

Bestandsbaubenutzung bremst den längst überbordenden Donut-Effekt

Auf dem Teller mag der Donut zweifellos eine süße Leckerei sein. Wenn jedoch Städtebauer das Gebäckstück als Analogie heranziehen, dann steht dahinter stets ein bedenklicher, negativer Effekt. Ganz ähnlich, wie sich beim Donut der Teig an den Rändern befindet und in der Mitte ein gähnendes Loch, verhält es sich in vielen heutigen Städten und noch mehr Dörfern quer durch die Republik:

Der äußerste Bereich ist gut gefüllt und wächst teilweise sogar noch. Etwa durch Neubaugebiete, Gewerbegebiete, große Supermärkte und Ähnliches. Der Ortskern hingegen mit seinen Einzelhandelsgeschäften, kleinen Handwerksbetrieben, Arztpraxen, Bankfilialen und Wohngebäuden verwaist zunehmend.

Besonders auf dem Land ist dieser Effekt hochproblematisch. Denn hier wachsen in den meisten Orten an der Peripherie nur die Wohngebiete, wenn überhaupt. Alles andere sammelt sich wie in einem Cluster an zentraler Stelle. Die Kerne vieler Orte sterben dadurch zugunsten einer oder sehr weniger zentraler Kommunen aus. Die Dörfer werden zu Schlaforten ohne eigenes Sozialleben, die Jugend wandert ab.

Gravierend ist das deshalb, weil dadurch das Loch des Donuts immer größer wird. Er schmilzt sozusagen von innen heraus weg, bis ein Ort fast ausgestorben ist, weil dort bis auf die Neubaugebiete kaum noch jemand lebt. Irgendwann ziehen auch die einstigen Kinder der Neubaubesitzer weg, weil die Infrastruktur fehlt. Dann ist der Tod der Kommune kaum noch zu stoppen.

Deutschlandweit appellieren deshalb Kommunalpolitiker wie Planer und andere Experten gleichermaßen: Wer die Ortskerne, regionale (Bau-) Kultur und soziales Miteinander erhalten und stärken möchte, sollte sich eher auf jene leerstehenden Gebäude in Kernlage fokussieren. Gerade in Dörfern kann hier wirklich jeder neu hinzuziehende Haushalt einen Unterschied machen. Zumal, das sei ebenso betont, Häuser in diesen Lagen oft für einen im Vergleich sehr geringen Preis den Besitzer wechseln.

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Viele Altbauten warten mit heutzutage oft prohibitiv teuren Extras auf

Bauen ist in den vergangenen zirka anderthalb Jahrzehnten extrem teuer geworden. Real haben sich die Preise seit 2010 praktisch verdoppelt. Zugegeben, natürlich stiegen deshalb ebenso die Kaufpreise für Bestandsbauten und die Kosten rund um die Sanierung. Allerdings darf man nicht vergessen, dass viele dieser Häuser in einer Zeit errichtet wurden, in der es noch nicht derart extrem nötig war, auf jeden Cent zu schauen.  

Ausnahmen wie etwa Neubaugebiete der 1970er, 1980er und 1990er mag es zwar definitiv geben. Aber in der Breite weisen viele Bestandsgebäude dennoch diverse Features auf, die sich heutige Bauherrn aus Sparsamkeitsgründen verkneifen müssen. Etwa:

  • Grundstücke, deren Fläche leicht 1.000 und mehr Quadratmeter umfasst – statt wie heute eher die Hälfte. Wie sich das auf die Garten- und Freizeitgestaltung der neuen Bewohner auswirken kann, liegt auf der Hand.
  • Eine faktisch durchgängig praktizierte, vollwertige Unterkellerung. Das ist seit einigen Jahren nur noch bei etwa einem Viertel aller Neubauten der Fall; regional sogar noch deutlich weniger. Bedeutet: Bei einem typischen anderthalbstöckigen Einfamilienhaus gibt es bis zu 1/3 mehr interne Nutzfläche, die bei Neubauten aus Kostengründen einfach wegfällt. Selbst wenn der Keller, etwa bei einem Altbau, mangels wohnlicher Attribute lediglich als Lagerraum genutzt werden kann, ist er ein deutliches Plus.
  • Vollwertige Schornsteine durch die früher universell genutzten, fossil betriebenen Heizungen. Sogar wenn bei der Sanierung eines solchen Bestandsbaus eine moderne Wärmepumpenheizung integriert wird, lässt sich dieses überraschend teure Konstruktionsdetail noch anderweitig nutzten. Etwa, um im Haus zusätzlich gemütliche Kaminöfen zu betreiben, Wäsche ohne Schleppen zur Waschmaschine zu befördern oder die Sanierungskosten zu reduzieren, indem Teile der Elektrik und Rohrleitungen durch diesen Schacht geführt werden.

Und das sind nur drei Details, zu denen je nach Haus noch viele weitere hinzukommen können. Denken wir etwa an kostspielige Schieferdächer oder andere heute fast unbezahlbare Materialien. Oder etwa Dinge wie Anbauten, die das Wohnen um zahllose Möglichkeiten zwischen Party-Raum, Hobby-Kabinett oder ruhig gelegenes, vom restlichen Haus getrenntes Home-Office ergänzen. Für ähnliche Endbeträge bekommt man deshalb häufig schlichtweg „mehr Haus“ als bei einem Neubau.

Zusammengefasst: Bestandsbauten sind die oftmals besseren Neubauten

Nicht jeder, der ein Eigenheim haben möchte, kann sich vorstellen, dazu ein „Gebrauchthaus“ heranzuziehen – ähnlich, wie viele Menschen grundsätzlich nur Neuwagen kaufen. Wer jedoch über diesen kleinen Mangel hinwegsehen kann, der findet in Bestandsgebäuden Häuser, die nicht zuletzt aus Nachhaltigkeitssicht vieles besser machen als es Neubauten können.

Zudem sollte wirklich niemand mehr der Binsenweisheit aufsitzen, solche Gebäude ließen sich nicht auf zeitgenössische Standards bringen. Mit einem guten Planer an der Hand (und wenn kein Denkmalschutz es verhindert), kann selbst ein über hundert Jahre altes Haus ohne Probleme so energetisch hochwertig gemacht werden wie ein brandneu errichtetes Gebäude – bloß zu oftmals deutlich geringeren Kosten für den eigenen Geldbeutel, die Umwelt und das Klima.

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