Bauen ohne Eigenkapital

Mindestens 15 oder 20 Prozent Eigenkapital, besser noch mehr – das war lange Zeit die unumstößliche Regel für eine Baufinanzierung. Ohne Eigenkapital kein Häuschen! Das hat sich in den letzten Jahren gründlich geändert.

Vollfinanzierungen, also die Beleihung von 100 Prozent der Erwerbskosten, waren mit der Zunahme von Darlehensanbietern  und dem Siegeszug des Internet als Plattform plötzlich gang und gäbe. Die Geldgeber gingen sogar so weit, auch die Nebenkosten noch zu finanzieren. Diese 105- oder 108-Prozent-Finanzierungen sind seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 weitgehend von der Kreditszene verschwunden.

Hier stellt sich auch die Sinnfrage: Soll jemand, der nicht einmal die Nebenkosten angespart hat, wirklich ein Haus bauen? Zwar ist das Risiko für den Darlehensgeber begrenzt, weil die Immobilie ja als Sicherheit vorhanden ist. Aber Bauherren, die solide wirtschaften, sind die einfacheren Kunden.

Nun sind Banken allgemein sehr vorsichtig geworden, was die Kreditvergabe betrifft, aber 100-Prozent-Finanzierungen sind immer noch zu haben. Allerdings ist das Thema aus den Schlagzeilen geraten, was für den gesunden Menschenverstand der Bauwilligen spricht.

Sicherer Arbeitsplatz, hohes Einkommen
Wer kommt überhaupt infrage für diese riskante Form der Baufinanzierung? Im Visier der Banken sind Kunden, die einen sicheren Job haben und ein relativ hohes Einkommen. Auch junge Familien mit gutem Verdienst, die noch keine Rücklagen gebildet haben oder das Gesparte als Reserve für gewisse Fälle bunkern wollen.

Beamte im gehobenen oder höheren Dienst haben sehr gute Karten, Selbstständige mit Umsatzschwankungen hingegen werden eher geringe Chance haben, die kompletten Gestehungskosten finanziert zu bekommen. Festangestellten erhalten in der Regel einen Kredit, wenn sie mindestens ein Jahr in ihrer Anstellung gearbeitet haben. Selbstständige müssen nachweisen, dass sie mindestens drei Jahre in ihrem Metier gearbeitet haben.

Manche Kreditgeber unterscheiden zwischen Freiberuflern und Gewerbetreibenden. Während Freiberufler (z.B. Ärzte oder Anwälte) reelle Chancen haben, einen 100%-Baukredit zu bekommen, bleiben Gewerbetreibende so manches Mal außen vor. Oder sie müssen mit noch höheren Risikoaufschlägen rechnen. Eine Vollfinanzierung darf in der Regel nicht mehr als das Sieben- bis Neunfache eines Jahresnetto-Einkommens umfassen.

Banken verlangen Risikozuschlag
Natürlich lassen sich die Banken ihre Großzügigkeit anständig bezahlen. Etwa 0,3 bis 0,5 Prozent Risikozuschlag muss ein Bauherr berappen, der ohne Eigenkapital bauen will. Ist es da nicht sinnvoller, ein paar Jahre zuzuwarten und Geld anzusparen?

Im Moment sprechen zwei Dinge dafür, gleich loszulegen: Die  niedrigen Zinsen und die zu erwartenden anziehenden Immobilien- und Baupreise. Diese verzeichneten zwar schon einen kräftigen Zuwachs, doch sind weitere Preissteigerungen zu erwarten.

Kein Spielraum für unvorhergesehene Kosten
Allerdings: Unvorhergesehene Kostensteigerungen müssen unter allen Umständen vermieden werden. Diese könnten sonst dem Häuslebauer das Genick brechen. Denn es besteht ja keinerlei finanzieller Spielraum. Nachfinanzierungen, die dann nochmals teurer erkauft werden, kommen somit auf keinen Fall infrage.

Restschuld so weit wie möglich reduzieren
Im Übrigen gelten die gleichen Verhaltensmaßregeln wie für „normale“ Kreditnehmer: Das aktuell supergünstige Zinsniveau zu möglichst langer Zinsbindung und zu möglichst hoher Tilgung nutzen. Denn die Restschuld am Ende der Zinsbindungsfrist wird bei einer Vollfinanzierung trotzdem noch erheblich sein. Ideal wäre es, wenn die Bauleute mit einer Schenkung oder einer Erbschaft rechnen könnten. Diese könnte dann für Sondertilgungen genutzt werden. Oder zur teilweisen oder vollständigen Tilgung am Ende der Zinsbindungsfrist.

Noch mehr als bei einer „normalen“ Finanzierung gilt es, die Kreditangebote in Bezug auf Effektivzins und Restschuld am Ende der Zinsbindungsfrist sorgfältig zu vergleichen. Wer sich verkalkuliert und die Immobilie nicht halten kann, ist irgendwann zum Notverkauf gezwungen, und das heißt Verkauf (weit) unter Marktwert.
Folge: Kein Haus mehr, aber eine Menge Schulden. Doch bei gewissenhafter Planung lässt sich diese Situation vermeiden.          

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