Wärmegedämmte Häuser können nicht atmen!
Ein Haus „atmet“ nicht durch die Wände. 98 Prozent der Luftfeuchtigkeit im bewohnten Haus wird beim Lüften durch die Fenster abtransportiert. Die Wand lässt Feuchtigkeit ohnehin praktisch nicht durch.
Sobald 30 Prozent der Fassadenflächen und der Dachfläche eines Hauses gedämmt werden, muss nach DIN 1946 Teil 6 „Lüftung in Wohnungen“ ein sogenanntes Lüftungskonzept erstellt werden. Darin wird geprüft, wie der hygienisch notwendige Luftwechsel zum Feuchteschutz in den Wohnräumen garantiert wird. Reicht lüften nicht mehr aus, um die Feuchtigkeit aus der Wohnung zu transportieren, dann muss eine lüftungstechnische Maßnahme ergriffen werden. Auf dem Markt sind verschiedene Arten von Lüftungsanlagen, Systeme mit und ohne Ventilator. Die Lüftungsanlage muss nach der sogenannten Nennlüftung ausgelegt werden. Diese richtet sich nach der Wohnungsgröße. Standardmäßig muss eine Lüftungsanlage etwa 30 Kubikmeter Raumluft pro Bewohner und Stunde austauschen.
Nicht vergessen dürfen Hausbesitzer dabei aber: Lüftungsanlagen müssen korrekt eingebaut und dann auch regelmäßig gewartet werden, sonst gelangen Keime in die Innenluft. Und: Sie müssen auch tatsächlich in Betrieb sein. Wer sich am Geräusch der Anlage stört und sie deshalb immer wieder ausschaltet, der untergräbt sein Lüftungssystem – mit allen sich daraus ergebenden Nachteilen.
Vorbehalt 2:
Wärmedämmung führt zu Schimmel!Schimmel entsteht dort, wo extreme Temperaturunterschiede zwischen Raumluft und der Temperatur der Außenwand herrschen. Wenn zum Beispiel bei einer durchschnittlichen Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent (das ist gesundheitlich gut verträglich und nicht besonders viel) in der Raummitte 20 Grad herrschen, die Außenwand aber nur eine Oberflächentemperatur von 13,5 Grad hat, dann liegt die Luftfeuchte an der Wandoberfläche bei circa 74 Prozent. Stoßen an der Zimmerecke zwei Außenwände zusammen, herrschen dort nur Oberflächentemperaturen von knapp zehn Grad. Die Feuchtigkeit steigt auf 92 Prozent. Unter diesen Bedingungen kann sich an diesen Stellen Schimmel ansiedeln.
Wird von außen eine Wärmedämmung montiert, erhöhen sich die Temperaturen an der Innenwand und in den Ecken. Mit jedem Grad sinkt dort die Luftfeuchtigkeit und reduziert die Schimmelgefahr! Übrigens: Ein beliebter Platz für Schimmel ist hinter Schränken. Werden Schränke direkt an die Wand geschoben, dann kommt die Feuchtigkeit immer noch mühelos hinter den Schrank. Luft kann dort aber nicht mehr zirkulieren.Das Ganze funktioniert allerdings nur optimal, wenn die Wärmedämmung korrekt ausgeführt wird. Und dabei gilt natürlich auch: Je anspruchsvoller die Dämmung, umso stärker rächen sich auch kleinste Ausführungsfehler. Erfahrungsgemäß klappte das nur bei konsequenter Baukontrolle.
Auch interessant: Wärmedämmung: Das Haus richtig dämmen >>
Vorbehalt 3:
Wer ein Haus dämmt, der hat den Schimmel an den Wärmebrücken!
Klassische Wärmebrücken sind sogenannte eingespannte Balkonplatten aus Stahlbeton, also Balkonplatten, die Teil der Stahlbetondecke sind und damit teils im Haus und teils außerhalb des Hauses liegen. Solche Stahlbetonplatten kühlen bei Kälte schneller aus als die Außenwand. Mit ihrer niedrigeren Oberflächentemperatur sind sie anfällig für den Niederschlag von Kondenswasser. Wo sich Feuchtigkeit niederschlägt, kann Schimmel entstehen. Auch hier gilt, wie beim Vorbehalt 2: Je höher die Temperatur der Wand, umso geringer die Feuchtigkeit, umso niedriger das Schimmelrisiko. Die Erfahrung zeigt: Werden die Außenwände mit einer 20 Zentimeter dicken Dämmschicht versehen, steigt die Oberflächentemperatur der Innenwand und auch damit die Oberflächentemperatur des ungedämmten benachbarten Betonbauteils. Im Gegenzug sinkt die Schimmelgefahr. Auch hier gilt natürlich wieder: Der Schlüssel zum Erfolg ist wie immer die Sorgfalt bei der Umsetzung!
Vorbehalt 4:
Wärmedämmung ist extrem feuergefährlich!
Zunächst einmal kommt das auf das Wärmedämm-Material an. Es gibt brennbare Materialien und solche, die schwer entflammbar sind oder sogar nicht brennen. Bundesweit sind nur vier Fälle bekannt, bei denen Wärmedämmung abbrannte. In drei Fällen befand sich das Haus noch im Bau. Das Wärmedämmverbundsystem aus Polystyrol war noch ohne Verputz – und damit ungeschützt. Im vierten Fall waren die vorgeschriebenen Brandbarrieren in der Fassade nicht eingebaut worden. Solche Brandbarrieren sind ab zwei Etagen Pflicht. In der Regel betrifft das nicht das Einfamilienhaus – es sei denn, es steht am Hang –, sondern das Mehrfamilienhaus. Wer dennoch Angst vor Brand hat, kann sich auch im Einfamilienhaus Brandbarrieren einbauen lassen. Diese feuerfesten Bauteile werden über den Fenstern montiert, um ein Überschlagen des Brandes von einem ins nächste Geschoss zu verhindern.
Diese Brandbarrieren muss der Bauherr allerdings oft selbst veranlassen, bestellen und bezahlen. Wenn Brandbarrieren laut Landesbauordnung nicht vorgeschrieben sind, dann werden sie von Schlüsselfertiganbietern natürlich auch nicht eingeplant. Der Bauherr muss sie zunächst in den Bauvertrag hineinverhandeln und dann darauf achten, dass sie auch korrekt eingebaut werden. Bei der Baukontrolle unterstützt ihn der unabhängige Sachverständige.
Vorbehalt 5:
Der Algenbefall an Fassadendämmungen gefährdet die Gesundheit!
Algenbefall kommt nicht nur an gedämmten, sond
ern auch an ungedämmten Fassaden vor. Zum Beispiel an den Fassaden vor ungedämmten Dachräumen. In der Regel reichern sich alte Putze im Laufe der Zeit mit Feuchtigkeit an. Wird diese nicht von innen her durch Heizen immer wieder ausgetrocknet, entsteht Algenbefall.
Algenbefall entsteht auch an gedämmten Fassaden, vor allem, wenn der Putz nur einen Zentimeter dick ist, wenn die Fassade tagsüber im Schatten liegt und wenn nur ein geringer Dachüberstand die Fassade nicht schützt. Das Problem ist die Strahlungstemperatur des Nachthimmels. Das Weltall ist eiskalt. Und sogar in klaren Sommernächten kann die Strahlungstemperatur des Nachthimmels unter den Gefrierpunkt sinken. Steht die ungeschützte Fassade nun im direkten Austausch mit dem kalten Nachthimmel, sinkt die Temperatur der Fassade unter Umständen noch unter die Lufttemperatur ab. Autofahrer kennen den Effekt, wenn nach klaren Sommernächten Kondenswasser auf der Windschutzscheibe des Autos steht – was sonst nur bei Forst geschieht. Auf der eiskalten Fassade schlägt sich Feuchtigkeit nieder, durchfeuchtet sie und führt schließlich zum Algenbefall.
Verhindern lässt sich das Phänomen durch mehrere Maßnahmen: Zum einen wäre ein Dachüberstand von 60 bis 80 Zentimetern optimal, um die Fassade zu schützen. Kommt tagsüber Sonne an die Fassade, dann reduziert das ebenfalls das Problem, denn dann kann sich die Fassade erwärmen und braucht nachts länger zum Auskühlen. Gleiches gilt für eine dunkel gestrichene Fassade, die sich ebenfalls höher aufheizt als eine helle. Hilfreich gegen die Auskühlung sind auch dickere Putzschichten – zwei Zentimeter, statt einem.
Zunehmend experimentieren Fachleute mit infrarotreflektierenden Farben und sogenanntem PCM-Material. Die englische Abkürzung steht für Phase Change Material. Dabei handelt es sich um Materialien, die Wärme aufnehmen und zeitverzögert wieder abgeben können. Zum Beispiel Wachs, das tagsüber aufgeheizt und verflüssigt wird und durch seine langsame Auskühlung und Verfestigung nachts die Abkühlung der Fassade unter der Nachthimmelstrahlung verlangsamt.
Eine weitere technische Möglichkeit, um dem Algenbewuchs der Fassade vorzubeugen sind hydrophile Putzsysteme, also Putze, die Wasser speichern können. Bis vor einiger Zeit galten wasserabweisende Putze mit Lotusblüteneffekt als ideal. Regen perlte einfach an ihnen ab und konnte nicht in die Putzschicht eindringen. Regen ist aber nicht das Problem der Veralgung, sondern die feinen Tauperlen, die sich in der kalten Nachtluft auf der Oberfläche der Fassade bilden und in den Putz eindringen. Der Lotusblüteneffekt funktioniert bei diesen feinen Tauperlen nicht. Ein Lösungsansatz sind hydrophile Putze, die vorübergehend Feuchtigkeit aufnehmen und sie später wieder abgeben können. Allerdings sind hydrophile Putze noch neu. Langzeiterfahrungen fehlen naturgemäß. Und grundsätzlich ist Algenbefall an der Fassade meist kein Gesundheits-, sondern ein Schönheitsproblem. Befallene Fassaden müssen öfter gestrichen werden. Und das wiederum kostet Geld.
Vorbehalt 6:
Fassadenbewuchs ersetzt die Wärmedämmung!
Das trifft nicht zu, denn Fassadenpflanzen bilden kaum stehende Luftflächen, die im Winter als Puffer gegen Wärmeverlust wirken. Auch die leicht kühlende Wirkung im Sommer genügt meist nicht für den sommerlichen Wärmeschutz. Problematisch sind Pflanzen allerdings, wenn die Fassade nicht mehr ganz in Ordnung ist. Sie nutzen feine Risse zum Festhalten und sprengen diese damit auf.
Vorbehalt 7:
Dicke Wände brauchen keine Dämmung!
Burgmauern sind dick. Brauchen sie wirklich Dämmung? Sicher nicht, denn die meisten Burgen sind heute unbewohnt, minimal beheizt – und stehen unter Denkmalschutz. Deshalb kommt Außendämmung ohnehin nicht infrage, sondern allenfalls eine Innendämmung (die ist aber eine Sache für Experten). Andererseits wären die alten Rittersleute sicher dankbar für Dämmung gewesen, denn ihre Burgmauern bestanden aus Natursteinen, Sandstein, Granit, Basalt, alles Materialien, die die Wärme sehr gut leiten können. Deshalb wurden die alten Burgen auch fast nie warm. Der U-Wert einer Burgmauer, also der Wärmedurchgangskoeffizient, liegt bei rund 1,0 und ließe sich durch heutige Wärmedämmung deutlich reduzieren, immerhin um 80 bis 90 Prozent!
Vorbehalt 8:
Wärmedämmung verhindert die Aufheizung meiner Fassade durch die Wintersonne!
Wintersonne tut gut, keine Frage. Jeder Mensch freut sich darüber. Aber selbst an klaren Wintertagen scheint die Sonne im Schnitt nur vier Stunden, die übrigen 20 Stunden ist es kalt. Experten haben das genau ausgerechnet. Ihr Fazit: Die Energiegewinnung über die Speicherung der Wintersonne ist nicht der Rede wert. Der Energieverlust über die nicht gedämmte Fassade dagegen schon.
Aber: Diese Fragestellung wird von Experten sehr kontrovers diskutiert. Auch wenn die Energiegewinnung im Winter rechnerisch nicht relevant ist, kann die Bilanz zu anderen Jahreszeiten und bei unterschiedlichen Sonnenständen anders ausfallen. Letzten Endes ist es eine Frage der individuellen Planung und des Standorts. Also auch hier die dringende Empfehlung, der Energieplanung große Aufmerksamkeit zu widmen. Schlüsselfertig-Bauherren sollten noch vor Vertragsabschluss gezielt nach den Energieberechnungen fragen, sich die Unterlagen aushändigen und diese vom unabhängigen Experten prüfen lassen. Nur so erfahren sie, wie ihr Haus eigentlich konzipiert ist und wie es funktioniert.
Vorbehalt 9:
Wärmedämmung ist teuer und rechnet sich nicht!
Es kommt darauf an, wie das Haus aussieht. Ist es eine heruntergekommene Altimmobilie, die ohnehin ringsum aufwändig saniert werden muss, dann fällt neben Gerüst, neuem Putz und diffizilen Anschlussarbeiten der Preis für die Wärmedämmung tatsächlich nicht groß ins Gewicht. Das ist aber nicht der Alltag: Die meisten Hausbesitzer möchten etwas für die Umwelt tun und entschließen sich deshalb zur Dämmung. Meist ist ihr Haus gepflegt und gut im Schuss. Eine Außensanierung wäre nicht nötig. In solchen Fällen rechnen sich Wärmedämmverbundsysteme dann tatsächlich oft nicht oder zumindest erst nach sehr langer Zeit. Generell gilt: Werden alte und defekte Dinge ersetzt, amortisiert sich das viel schneller. Besitzer gepflegter Immobilien sollten deshalb auch Alternativen erwägen, wie zum Beispiel eine neue Heizung. Darüber, was sich für sie lohnt und was zum Haus passt, sollten sie sich vom unabhängigen Experten firmen- und produktneutral beraten lassen – nicht vom Handwerker, denn natürlich neigt der Fassadenbauer dazu, das Wärmedämmverbundsystem zu empfehlen, während der Heizungsinstallateur die Heizung favorisiert.
Noch etwas sollten Hausbesitzer bedenken: Wärmedämmung und andere Energiesparmaßnahmen erhalten sicher den Wert eines Hauses. Ob sie ihn aber gar erhöhen, das hängt maßgeblich von der Lage ab: Ein Haus, das jetzt schon in einer Gegend steht, in der Immobilien nur noch schwer verkäuflich sind, gewinnt auch durch energetische Sanierung nicht wirklich an Wert.
Quelle: Verband Privater Bauherren e.V.