Außen traditionell – innen modern

Beim Bau des neuen Hauses war die ganze Familie beteiligt: Die Eltern steuerten Grundstück und viel Lebenserfahrung bei. Der Bruder Oliver von Bauherrin Maria Großer konnte mit seiner Expertise in puncto Innenausbau unterstützen und ein weiterer Bruder, Wieland Egger, seit vielen Jahren erfolgreicher Architekt und Partner im Stuttgarter Büro K+H Architekten, ließ sich natürlich nicht zweimal bitten, bei Entwurf und Planung zu helfen. In erster Linie standen dabei die Wünsche der späteren Bewohner im Mittelpunkt der Überlegungen. Das Grundstück, auf dem das Haus entstehen sollte, liegt in einer Senke, einen Steinwurf vom Flüsschen Ostrach entfernt, etwas unterhalb der historischen Mühle und dem Hotel der Familie. Einheimische nennen den Platz „Klein Sibirien“, denn vor allem im Winter reichen die wärmenden Sonnenstrahlen nur selten und kurze Zeit bis hier hinab. Umso wichtiger war es für Maria Großer und ihre Familie eine Wohnumgebung zu erhalten, die möglichst viel des kostbaren Tageslichtes ins Hausinnere lässt. Sie wünschten sich außerdem moderne, offene Wohnräume mit direktem Sichtbezug zur Natur.

Viel Offenheit – trotz strenger Vorgaben

Dem entgegen stand aber die in Bad Hindelang geltende, sehr strenge Ortsbausatzung. „Die Gemeinde legt hohen Wert auf ein sehr geschlossenes Ortsbild – hier möchte man keine architektonischen Entgleisungen haben“, erklärt Wieland Egger schmunzelnd. „Die Herausforderung für uns war also ein Haus zu entwerfen, das nach außen hin wirklich traditionell erscheinen würde, in dessen Inneren aber maximal offenes und modernes Wohnen für eine junge Familie zu installieren.“ Der Kunstgriff, dessen er sich bediente war, das Haus auf den drei vom Ort aus einsehbaren Fassaden ganz entsprechend der strengen Vorgaben zu gestalten: mit verputztem Sockelgeschoss, einem mit heimischem Fichtenholz verschalten Obergeschoss sowie kleinen Holzsprossenfenstern mit Klappläden. Der lang gestreckte, rechteckige Baukörper wird von einem regionaltypisch flach geneigten Satteldach mit weiten Dachüberständen geschützt. Wer jedoch das Haus vom Wanderweg an der Ostrach aus erblickt, kann seine moderne Seite bestaunen. Das Erdgeschoss öffnet sich über eine geschosshohe Glasfassade komplett nach Süden und auch das Obergeschoss wird hier durch hohe Fenster großzügig aufgetan. „Wenn wir diesen Kompromiss mit der Gemeinde nicht gefunden hätten, hätten wir das Haus nicht gebaut“, sagt Maria Großer heute, „dafür haben wir hier unten einfach zu wenig Sonne.“

Sonnenlicht wird optimal genutzt

Dieses „Wenig“ wird von dem Gebäude heute optimal genutzt. Nicht nur, dass dank der großen Südfenster und des offenen Grundrisskonzeptes viel Tageslicht ins Hausinnere gelangt und so die gewünschte Wohnatmosphäre erzeugt, auch zur Unterstützung von Heizung und Warmwasser trägt die Sonne heute einen erklecklichen Anteil bei. Zum einen über die Südfenster durch passive solare Einträge aber auch mithilfe der thermischen Solaranlage auf dem Dach.

Deren Erträge werden in dem über zwei Geschosse reichenden, 4000 Liter fassenden Warmwasserspeicher eingelagert. An ihn ist auch der Stückholzofen im Erdgeschoss angeschlossen, der somit nicht nur den großen Ess- und Wohnraum beheizt, sondern über eine Wassertasche einen Großteil seiner Heizenergie an den Speicher abgibt, die von dort aus per Fußbodenheizung im übrigen Haus verteilt wird. Die Luft-Wasser-Wärmepumpe springt im sonnenarmen Winter ein. Da in der benachbarten Oberen Mühle mithilfe einer Wasserturbine regenerativer Strom erzeugt wird, verzichteten die Bauherren auf die sonst hier schon fast obligatorische Photovoltaikanlage. Das mit Zellulose und Holzfasern gedämmte Holzständerhaus erzielt mit dieser Haustechnik den Standard eines Effizienzhauses 55.

Die Jury des KfW-Award belohnte den Neubau aufgrund der sensiblen Ergänzung an den historischen Gebäudebestand und der „wunderbaren Details, die von der Liebe zu dieser Art von Architektur zeugen und dass das Gebäude selber trotzdem ein modernes Haus geworden ist“ mit dem zweiten Platz: „Es besticht durch Weite, Helligkeit und große Liebe zur Tradition“. Über dieses Lob freut sich nicht nur der Architekt, sondern die ganze Familie, schließlich ist das neue Haus an der Oberen Mühle eben auch ein echtes Familien-Projekt.

 

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